Gastbeitrag im Tagesspiegel: Es geht um mehr als den Beitrag
Wenn im Interview die Frage gestellt wird, “erläutern sie bitte, warum brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?”, wird mir jedes Mal deutlich, wie politisch wichtig der Diskurs über die Weiterentwicklung unseres dualen Mediensystems ist. Wir haben europaweit, wenn nicht weltweit, die vielfältigste und pluralistischste Medienlandschaft und trotz dessen, oder gerade deshalb, müssen wir erklären, warum es sie gibt, welchen Nutzen wir davon haben. Ein Phänomen, das meines Erachtens daraus resultiert, dass die deutsche Medienordnung ebenso schutz- wie veränderungsbedürftig ist. Schutz vor dem wachsenden Einfluss und dem Verdrängungswettbewerb der US-amerikanischen Plattformen und Suchmaschinen, Schutz vor Angriffen auf Presse- und Meinungsfreiheit oder Schutz vor Medienkonzentration, können konkret benannt werden. Das gilt für die öffentlich-rechtlichen wie die privaten Medien gleichermaßen. Den Veränderungs- oder Modernisierungsbedarf zu konkretisieren, fällt ungleich schwerer. Er wird begleitet vom Zustand allgemeiner Verunsicherung. Wie muss man sich inhaltlich entwickeln, dass Vorwürfe wie Lügenpresse ins Leere laufen, statt in die Defensive gedrängt zu werden? Es geht darum, Journalisten und deren Arbeit gesellschaftlichen Respekt und Anerkennung entgegenzubringen, statt sie polizeilich festzusetzen. Wie bleiben die Angebote so relevant, dass bei verändertem Mediennutzungsverhalten in der digitalen Welt, weiterhin die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender konsumiert werden? Und wie schaffen wir Akzeptanz dafür, dass Qualitätsjournalismus wertvolle Arbeit ist, die nicht zum Nulltarif angeboten werden kann? Ganz klar: Im Zentrum der medienpolitischen Diskussion darf nicht allein die Beitragshöhe stehen. Es geht um wichtigeres: um Rundfunkfreiheit, Pluralismus und Demokratie. Dennoch ist die Höhe des Rundfunkbeitrags oft Aufhänger der öffentlichen Diskussion. Obwohl Konsens darin besteht, dass der Auftrag über die Finanzierung und damit mittelbar über den Rundfunkbeitrag bestimmt und nicht umgekehrt. Der Qualitätsanspruch an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist zu Recht hoch. Für die Beitragsverpflichtung können Zuschauer oder Hörer erwarten, dass Information, Kultur und Bildung, aber auch Unterhaltung für alle Generationen angeboten wird. Dabei bedeutet Grundversorgung nicht Mindestversorgung und keinesfalls Nischenfernsehen, frei nach dem Motto, die “Öffentlichen” sollen nur noch das tun dürfen, was kein Privater kann. Das Angebot einer umfassenden Versorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist Funktionsbedingung unseres dualen Rundfunksystems. Doch ist alles Gold was glänzt? ARD und ZDF betreiben neben den Vollprogrammen, Das Erste, ZDF, 3SAT und ARTE, sieben Spartenprogramme, unter anderem Phönix und KIKA. Neun ARD-Anstalten verbreiten Landesprogramme, deren regionale Berichterstattung meist nur in Zeitfenstern von zwei bis drei Stunden stattfindet und 64 Hörfunkwellen, deren Gleichklang bei einigen Angeboten hörbar ist. Daneben werden in diversen App-Stores rund 100 Apps angeboten vom ARD Quiz bis zu ZDF VR. Ein vergleichsweise fragmentierter Auftritt in der digitalen Welt. Wo doch Qualität und Auffindbarkeit entscheidend sind. Die ARD Audiothek ist ein erster richtiger Schritt, eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Plattform für mich ein politisches Ziel – mindestens aber eine Vernetzung der Mediatheken. Die Privaten TV Sender mit ihrer geplanten Log-in-Allianz zeigen, sie haben den Bedarf längst erkannt. Mit dem neuen Telemedienauftrag haben wir eine Basis geschaffen, die sich gut nutzen ließe. Natürlich muss auch die Wirtschaftlichkeit bei der Erfüllung des Auftrags und damit zusammenhängend die Beitragsakzeptanz – nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen – im Blick gehalten werden. Gesellschaftlich und politisch muss die Beitragshöhe vermittel- und akzeptierbar bleiben. Deshalb gehört neben Qualität und Auffindbarkeit die Wirtschaftlichkeit zwingend dazu. Wir als Ländergemeinschaft haben diese politische Erwartungshaltung im Herbst 2016 den Anstalten übermittelt und Reformen angeregt. Die Antwort der Anstalten erreichte uns ein Jahr später und ergab aus Sicht der KEF beitragsbezogene Einsparungen von circa 20 Cent. Positiv betrachtet, ein erster Schritt in die richtige Richtung, für die Ländergemeinschaft aber ein zu kleiner. Deshalb diskutieren wir in der Ländergemeinschaft weiter, über den Auftrag und die Finanzierungsoptionen der Zukunft. Für uns ein übliches Verfahren. Beim Umstieg von der Gebühr zum Beitrag, wurden zunächst acht Modelle beleuchtet, dann zwei, dann einigten wir uns auf ein neues Konzept, das jüngst vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß bestätigt wurde. Doch wie sieht der Auftrag der Zukunft aus? Die klare Beauftragung von Programmen bietet Rechtssicherheit, aber sie ist gleichzeitig ein Manifest. Die Herausforderungen der Medienkonvergenz und das veränderte Mediennutzungsverhalten sprechen dafür, mehr Flexibilität zu schaffen. Flexibilität würde aber bedeuten, die Anstalten und ihre Gremien müssten mehr Verantwortung übernehmen. Auch die Auswirkungen auf die privaten Anbieter, die in unserer dualen Rundfunkordnung ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, müssten sorgfältig abgewogen werden. Die Antworten auf die neuen Herausforderungen, wie geändertes Mediennutzungsverhalten, können jedenfalls nicht darin liegen, ausgehend von dem bisherigen Bestand das Angebot einfach auszubauen. Die verfassungsrechtlich verankerte Entwicklungsgarantie begründet kein Wachstumsprogramm für die Rundfunkanstalten. Weitere Einsparpotenziale sollten über die Optimierung administrativer Prozesse hinausgehen. Eine andere Thematik ist die künftige Rolle der KEF. Sie ist meines Erachtens ein wichtiges staatsfernes Korrektiv. Wir werden sie weiterhin dringend brauchen, um – wie von der Verfassung gefordert – eine bedarfsgerechte Finanzierung zu gewährleisten, unabhängig davon, ob man sich auf mögliche indexierte Steigerungsraten verständigt. Bereits jetzt sind 80 Prozent der Bedarfe indexiert. Eine 100 prozentige Indexierung des Beitrags birgt für mich Licht und Schatten: Bei allen Überlegungen zur Entpolitisierung der Beitragsdebatte und zur Planungssicherheit für die Anstalten, ist der breite Diskurs in den Parlamenten zugleich auch demokratische Rückendeckung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir haben aktuell auf Länderebene verschiedene Module bzw. Prüffelder identifiziert: Diese reichen von einer Schärfung des Profils des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei der Auftragsdefinition und Überlegungen zur Flexibilisierung bei der Beauftragung konkreter Programme, über die Idee eines gemeinsamen Telemedienangebots bis hin zu einer Indexierung des Rundfunkbeitrags und der Zuweisung des Beitragseinkommens und anderer Einnahmen als Budget. Neben den sich aus diesen Punkten ergebenden Kombinationsmöglichkeiten ist natürlich auch eine Beibehaltung oder (leichte) Modifizierung des derzeitigen Anmeldeverfahrens denkbar. Bei allen Überlegungen halten wir Aufgabe, Ausstattung und Einbindung der Gremien im Blick. Der weitere Zeitplan sieht so aus, dass wir an diesen Themen zügig weiterarbeiten mit dem Ziel, zum Ende des Jahres eine gemeinsame Position aller 16 Länder vorzulegen. Bei alledem sind für mich die drei entscheidendsten Schlagworte: Qualität, Auffindbarkeit und Wirtschaftlichkeit. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unverzichtbar. Erschienen im Tagesspiegel am 2. September 2018